„Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt.“ - Mahatma Gandhi
Ich habe vor kurzem eine Woche Urlaub in Irland verbracht, hauptsächlich im Westen des Landes. Das Wetter hat sich von seiner besten Seite gezeigt - ganz untypisch für Galway City, eine Stadt, die unser Taxifahrer als die Regen-Hauptstadt der Welt bezeichnete.
Während dieser Woche wurde ein altes Video einer ehemaligen olympischen Goldmedaillengewinnerin im Dressurreiten veröffentlicht. In einem kurzen Ausschnitt aus diesem Video war zu sehen, wie die Dame als Trainerin einem Pferd in kürzester Zeit über 20 Schläge mit der Longierpeitsche versetzt. Natürlich brach ein Shitstorm par excellence aus. Obwohl mir schon bewusst war, dass viele DressurreiterInnen dubiose Trainingsmethoden einsetzen, war ich tatsächlich schockiert, weil ich bisher angenommen hatte, dass diese Reiterin zu den „Guten“ gehört. Und auch wenn ich in letzter Zeit nicht so viel in den sozialen Medien unterwegs war, so musste ich doch feststellen, dass scheinbar wirklich jeder etwas zu diesem Thema zu sagen hat. Also muss ich natürlich auch meinen Senf dazu geben!
Ich agiere (und schreibe) meistens nach dem Ansatz „Energie folgt der Aufmerksamkeit“. Das bedeutet: Konzentriere dich auf das Gute und lass dich nicht vom Schlechten runterziehen. Das soll nicht heißen, dass man nichts gegen eine ungerechte Situation unternehmen sollte, wenn es einem möglich ist. Aber wenn man an der Situation nichts mehr ändern kann – wenn man beispielsweise bereits Wettbewerbe als Zuschauer boykottiert, Petitionen unterschreibt, als Richter anders benotet –, sollte man mit sich eher mit positiven Beispielen umgeben – man könnte zum Beispiel eine andere Trainerin aussuchen – und sich bloß nicht in Social Media-Kommentaren suhlen (ich mache das auch nur zu Recherchezwecken, ich schwöre!). Denn nicht nur dein Facebook-Feed wird von Algorithmen gesteuert, sondern dein Leben auch!
Viele Beiträge sind mir jedoch sehr positiv aufgefallen. Es gibt eine große Anzahl von „Me too“-Geschichten in der Community. In diesem Fall outen sich ReiterInnen jedoch nicht als Opfer, sondern als ehemalige TäterInnen. Es handelt sich um ReiterInnen und TrainerInnen, die früher selbst grobe Methoden einsetzten, weil sie es nicht besser wussten. Doch im Laufe der Zeit erkannten oder – besser gesagt – erfühlten sie, dass das, was sie machen, nicht pferdegerecht ist. Erschreckend fand ich, dass die meisten angaben, solche gewalttätigen Methoden angewandt zu haben, weil es in ihrem Umfeld die Norm war. Frei nach dem Motto: Jeder andere handelt doch genauso! Diese Geschichten sind mutig und wertvoll, und ich hoffe, dass sie gelesen werden, denn sie lassen die Tür zur Veränderung offen. Diese ReiterInnen für ihr früheres Verhalten zu verurteilen, wäre nicht zweckdienlich. Sie haben sich weiterentwickelt; Verurteilung allein schafft außerdem nur eine gespaltene Gesellschafft. Warum das so ist, habe ich in einem früheren Blogbeitrag beschrieben, den ich weiter unten verlinke.
Ich habe auch eine solche „Me too“-Geschichte. In meiner Vergangenheit misshandelte auch ich Pferde. Als Angestellte half ich dabei, zweijährige Rennpferde anzureiten, indem ich sie zweiseitig in der Box anband, während sie das erste Mal einen Sattel trugen, und ließ sie buckeln, bis sie müde waren. Ich schaute als Pferdepflegerin zu, wie ReiterInnen ihren Frust mit Peitschenschlägen ausdrückten. Ich ritt im Unterricht mit Schlaufzügeln, Sporen und zwei Gerten, weil der Gaul einfach nicht vorwärts ging. Man darf allerdings nicht glauben, dass derartige Misshandlungen von Pferden nur im großen Sport stattfinden. Am meisten schäme ich mich für die Jahre, die ich in gutbesuchten Reitschulen arbeitete, wo die Schulpferde Stunde über Stunde mit unbalancierten Reitern laufen mussten. Wo ich Ausbinder reinschnallte, weil die Pferde den Reitern die Zügel aus der Hand rissen, als Versuch, ihren Rücken zu entlasten. Wo ich wiederholt schrie: „Nimm die Gerte, wenn das Pferd nicht antrabt!“ Ich spürte allerdings schon damals, dass etwas an diesem Verhalten nicht richtig war und suchte nach etwas Anderem. Ich geriet auf Irrwege, jagte zum Beispiel im Namen der Freundschaft Pferde um einen Roundpen, bis ich meinen jetzigen Weg fand – immer bestrebt, noch mehr zu lernen, noch klarer und feiner in meiner Kommunikation mit den Pferden zu werden. Mit jeder neuen Pferd-Mensch-Partnerschaft, der ich zu einem friedlicheren Miteinander verhelfe, denke ich an die Pferde in meiner Vergangenheit und hoffe, dass ich etwas zurückgeben kann, was das Karma angeht.
Was ich dabei lerne, teile ich gerne mit euch – sei es hier im Blog oder in einem Kurs oder in Einzelstunden!