„Warum läuft mein Pferd jetzt so langsam?“
Das ist eine Frage, die ich öfters von Reiterinnen und Reitern höre, nachdem ich ein- oder zweimal mit ihnen gearbeitet habe. Tatsächlich ist es so, dass meine Kunden oft Reitstunden buchen, weil sie sich unsicher fühlen. Und es ist auch oft so, dass ihre Pferde relativ hektisch laufen. Manchmal merken die Reiterinnen und Reiter das, manchmal nicht.
Typischerweise arbeiten wir an den folgenden Themen: Gleichgewicht im Sattel finden, die Hilfen leiser machen und vor allem die Atmung fließen lassen. Obwohl ich mich auf die Reiterinnen und Reiter konzentriere, entspannen sich auch die Pferde in neunzig Prozent der Fälle und laufen ruhiger. Die Reiterinnen und Reiter sind begeistert, aber fragen mich, ob das Tempo jetzt nicht zu langsam ist.
Die Antwort ist Jein. Um das besser zu beantworten, müssen wir kurz einen Blick auf die Anatomie des Pferdes werfen. Fast jedes Pferd kann unter großer Anspannung körperliche Hochleistungen erbringen, z.B. in Panik über ein Tor springen. Wenn Pferde flüchten, spannen sie die Muskulatur der sogenannten Streckkette an. Der Kopf geht hoch, der Schweif auch und dazwischen wird der Rücken durchgedrückt. Die Hinterbeine schieben nach hinten aus und alles zusammen erzeugt eines – Geschwindigkeit! Viele Pferde laufen die ganze Zeit in diesem Bewegungsmuster, auch wenn der eigentliche Stress schon längst weg ist.
Dann ändern wir etwas. Die Pferde fangen an durchzuatmen, der Brustkorb kann sich bewegen, dadurch kann der Rücken loslassen, und der Hals wird tiefer. Die ventrale oder Beugekette kann einen Teil der Arbeit übernehmen. Das ist die Muskelkette, die wir für das gesundheitserhaltende Reiten brauchen. Aber sie ist sehr oft völlig untrainiert und schwach. In seiner neuen Entspannung schafft das Pferd die frühere Geschwindigkeit deshalb MOMENTAN nicht. In der folgenden Zeit ist Fingerspitzengefühl angesagt. Immer wollen wir nicht in diesem Zustand bleiben, weil das Pferd sonst auf der Vorhand „schlurft“. Aber wenn wir zu früh Druck machen, um das Pferd zum Vorwärtslaufen zu animieren, fällt es in sein altes Bewegungsmuster zurück.
Vor ein paar Wochen hatte ich wieder einen ähnlichen Fall. Diesmal wurde das Pferd nicht geritten vorgestellt, sondern an der Longe. Ich wurde kontaktiert, weil das Kleinpferd beim Reiten immer wieder bockte. Auf meine Empfehlung hin wurde eine Tierärztin gerufen, die Verspannungen im ganzen Rücken diagnostizierte. Diese wurden mittels Akupunktur und Spritzen behandelt. Ich kam eine Woche später dazu und bemerkte, dass die Muskulatur der Stute auf eine höhere Halshaltung hindeutete. Dazu war sie am Hals auch druckempfindlich. Nach anfänglicher Skepsis genoss die Stute ein paar ausgewählte TTouches sehr und ließ den Kopf fallen. Dann nahm die Besitzerin sie an die Longe, mit der Info, dass die Stute früher mit Ausbindern geritten worden war. Entspannt von der Körperarbeit schritt die Stute gleich mit einer entspannten Halshaltung los. Aber jedes Mal beim Antraben hob sie sich heraus. Ich legte ein einfaches Körperband locker an und auf einmal konnte die Stute nicht mehr antraben. Das Band vermittelte der Stute die Idee einer gesünderen Körperhaltung, aber sie hatte nicht nur schwache Muskeln, sondern überhaupt keine Ahnung, wie sie diese einsetzen sollte, um anzutraben. Sobald die Besitzerin mehr Druck mit der Peitsche machte, fiel die Stute zurück in ihr altes Muster des Kopfhochreißens. Ich schlug vor, die Stute spielerisch mit Stimme und Körpersprache zu motivieren. Kleinpferde sind oft ziemlich klug und es dauerte nicht lange, bis die Stute mehrmals wunderschön mit einer entspannten Halshaltung antraben konnte.
Allen, die mehr über Streckketten und Beugeketten lernen möchten, empfehle ich die Bücher und DVDs von Gillian Higgins.